Rückblick auf unser #galwue22-Blogprojekt
Auch dieses Jahr, in unserem #galwue22-Blogprojekt, wollten wir Ihnen die große Vielfalt der Angewandten Linguistik näherbringen! Dazu gab es verschiedene Blogbeiträge zu der Frage: Was machen Angewandte Linguistinnen und Linguisten eigentlich?
Mit dem heutigen Blogbeitrag endet unser #galwue22-Blogprojekt, wobei Sie sich Ihre Zeit in den letzten Wochen mit 16 Blogs vertreiben konnten. Diese Beiträge wollen wir heute noch einmal zusammenfassen und uns zurückerinnern, welche spannenden Felder und Projekte die Angewandte Linguistik für uns bereithält. Außerdem sind wir Ihnen noch die Antworten auf das Abschlussquiz der letzten Woche schuldig. Viel Spaß!
Was ist Angewandte Linguistik?
Angewandte Linguistik interessiert sich für Kommunikationsprozesse im lebensweltlichen Alltag und in beruflichen Zusammenhängen. Auf der Basis sprachwissenschaftlicher Expertise sucht sie Lösungen für Real World Problems. Dazu greift sie auf Erkenntnisse und Methoden aller sprachwissenschaftlicher Teildisziplinen zurück – zum Beispiel der Phonetik, der Lexikologie oder der Korpuslinguistik. Damit ist die Angewandte Linguistik selbst keine weitere Teildisziplin der Sprachwissenschaft, sondern vielmehr eine sprachwissenschaftliche Forschungspraxis. Angewandte Linguistinnen und Linguisten suchen in ganz verschiedenen Themenbereichen, mit ganz verschiedenen Fragestellungen, Methoden und Untersuchungszuschnitten solche Real World Solutions.
Das macht es fast unmöglich, die Projekte eindeutig verschiedenen Forschungsbereichen zuzuordnen. Deshalb sind wir anders an die Sache herangegangen. Wir haben uns gefragt: Welche Tätigkeiten üben Angewandte Linguistinnen und Linguisten eigentlich aus? Wir haben sechs Tätigkeitsfelder voneinander unterschieden.
Angewandte Linguistinnen und Linguisten…
… lehren Sprache und Sprachwissen.
… diagnostizieren und therapieren sprachliche Störungen.
… klären über sprachbezogene Probleme in der Gesellschaft auf.
… beraten zu sprachbezogenen Problemen und zeigen Lösungsstrategien auf.
… professionalisieren die Sprachverwendung in beruflichen Zusammenhängen.
… dokumentieren den gesprochenen und geschriebenen Sprachgebrauch.
Angewandte Linguistinnen und Linguisten lehren!
Im Zentrum einer jeden Lehrtätigkeit steht die Unterrichtseinheit, die die meisten wohl vor allem aus der Schule kennen. Dabei ist es essenziell, dass die Lehrkräfte und Lernenden mit Unterrichtsmaterialien unterstützt werden. Cora Büchler hat uns gezeigt, dass hier Angewandte Linguistinnen und Linguisten ins Spiel kommen, die sich unter anderem mit der Ausgestaltung von Lehrbüchern befassen. Außerdem rücken Bereiche wie Medienkompetenz und digitale Kommunikation für den Schulunterricht immer mehr in den Fokus der Lehrtätigkeit und so auch in den der Angewandten Linguistik.
Ebenfalls mit dem Schulunterricht befasst sich das Projekt „SPRINT – Sprachbildung interaktiv“, welches uns Isabell Neumann vorgestellt hat. Hierbei geht es darum, Ungleichheiten zwischen Lernenden auszugleichen und für bessere Kommunikation innerhalb der Unterrichtseinheiten zu sorgen. Dafür werden Lehrkräfte durch Feedback geschult und mit verschiedenen Werkzeugen für abwechslungsreiche Unterrichtsgespräche ausgestattet. Isabell Neumann hat ihre Informationen dabei aus erster Hand von der Projektleitung Prof. Dr. Miriam Morek im Interview erhalten.
Ein weiteres Projekt aus dem Bereich Lehren haben uns Anna-Lisa La Rocca und Julia Brümmer-Dauer vorgestellt. Hierbei handelt es sich um das „DW-DGS – das digitale Wörterbuch der Deutschen Gebärdensprachen“, welches das erste korpusbasierte Wörterbuch hierfür darstellt. Es soll den Unterricht zu deutscher Gebärdensprache durch eine umfassende Grundlage für Lernende und Lehrende vereinfachen.
Angewandte Linguistinnen und Linguisten diagnostizieren und therapieren!
Sprachwissenschaftliche Expertise unterstützt auch im medizinischen Bereich, vor allem bei der Diagnose und den Therapieansätzen von Sprech- oder Sprachbeeinträchtigungen. Lena Kettritz und Konstantin Flierl sind hierfür mit der Sprachheilpädagogin Martina Barthold ins Gespräch gekommen. In ihrem Beitrag haben sie uns deren umfangreichen Arbeitsbereich rund um Diagnostik und Therapie von Sprech-, Sprach-, Stimm- und Schluckstörungen im Kindes- und Erwachsenenalter genauer vorgestellt und gezeigt, wie Linguistinnen und Linguisten bei der Therapie unterstützen können.
Eine andere Richtung von Diagnostizieren und Therapieren haben uns Yvonne Luksch, Friederike Schmidtmann und Franziska Schulte mit „Durch die rosarote Brille gesehen“ vorgestellt. Dieses Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Einfluss von Depressionen auf die Wahrnehmung figurativer Sprache, wie Metaphern, zu untersuchen. Dabei sollen neuartige Therapiekonzepte für Menschen mit psychischen Erkrankungen entwickelt werden.
Angewandte Linguistinnen und Linguisten klären auf!
Die Angemessenheit oder Unangemessenheit von Sprache steht andauernd im gesellschaftlichen Fokus. Jule Beck hat uns im Bereich Aufklären das Unwort des Jahres vorgestellt, dessen Jury unter anderem aus Linguistinnen und Linguisten besteht. Durch diese Aktion soll sprachkritisch auf diskriminierenden, stigmatisierenden, euphemisierenden, irreführenden oder menschenunwürdigen Sprachgebrauch aufmerksam gemacht werden. Eines dieser Unwörter ist Pushback aus dem Jahr 2021, welches so viel wie zurückdrängen oder zurückschieben bedeutet, und eher im militärischen Bereich verwendet wird.
Ein weiteres Beispiel für solch unangemessenen Sprachgebrauch ist sogenannte Hate-Speech, deren Problematik uns Agata Okula und Tom Rath näher vorgestellt haben. Das XPEROHS-Korpus sammelt solche Hassrede in deutschsprachigem und dänischem Facebook und soll so dazu beitragen, die Ausgestaltung wie Lexik oder Musterhaftigkeiten von Hate-Speech analysierbar zu machen. So könnte Hassrede in Zukunft leichter zu filtern sein und aus den Sozialen Netzwerken verschwinden.
Nina Busch und Tim Neumann haben uns ein weiteres Projekt im Bereich angemessenen Sprachgebrauchs vorgestellt. Hierbei handelt es sich um „Polizei-Translationen – Mehrsprachigkeit und die Konstruktion kultureller Differenz im polizeilichen Alltag“ an dem auch Prof. Dr. Bernd Meyer von der Universität Mainz beteiligt ist. Dieser hat für den Blogbeitrag einige Fragen zum Projekt beantwortet, das sich mit der Wahrnehmung des Fremden bei der Polizei und der Reaktion von Polizistinnen und Polizisten auf Nicht-Muttersprachlerinnen und -sprachler beschäftigt.
Angewandte Linguistinnen und Linguisten beraten!
Wenn wir in unserem Alltag alleine nicht mehr weiterwissen, gibt es diverse Beratungsstellen, die uns unterstützen können, so auch in der Angewandten Linguistik. Xinyi Gong und Timo Lüsebrink haben uns das Tätigkeitsfeld Beraten nähergebracht und verschiedene sprachwissenschaftliche Beratungsstellen vorgestellt. Darunter die kostenpflichtige „GfdS – die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V.“, welche sogar Abgeordnete des Bundestages in linguistischen Fragestellungen wie beispielsweise Gesetzestexte berät.
Aber auch in Sachen Dolmetschen spielt Beratung eine zentrale Rolle. Zu diesem Thema haben uns Yijia Chen und Yuanying Jin den spannenden Bereich des Telefondolmetschens näher vorgestellt. Diese Praxis, eine dritte Partei in Form einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers per Telefon zuzuschalten, gibt es bereits seit den 70er Jahren. Sie wird jedoch immer wichtiger, um ortsungebunden, beispielsweise in der Kommunikation mit Migrantinnen und Migranten, Hilfestellung leisten zu können. Die Wichtigkeit des Telefondolmetschens hat auch Prof. Dr. Bernd. Meyer erkannt, wobei er im Projekt „Turn-Taking und Verständnissicherung beim Telefondolmetschen Arabisch-Deutsch“ die Probleme dieser Beratungsform angehen möchte. Hierzu gehört unter anderem die fehlende Mimik und Gestik, da am Telefon ohne „face to face“-Kontakt, also auch ohne Video, kommuniziert wird, was zu Verständnisproblemen führen kann.
Angewandte Linguistinnen und Linguisten professionalisieren!
Die Angewandte Linguistik kann auch eine Brücke zwischen Alltag und Beruf bilden. Das haben uns Yukari Hayashida und Leonie Kampmann in ihrem Blogbeitrag zum Tätigkeitsfeld Professionalisieren gezeigt. Hierbei ist es wichtig, Sprache und Kommunikation im professionellen Rahmen fachsprachlich und dennoch verständlich zu halten. Das erreicht die Sprachwissenschaft beispielsweise durch Coachings, welche sich mit dem Verfassen von Fachtexten und deren oft schwierigen Termini und Strukturen befassen.
Dabei stehen vor allem Organisationen und Institutionen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Das hat auch Jaqueline Krumm in ihrem Beitrag zum Projekt LeiKo unterstrichen. Das ist ein Korpus, welches Texte in leichter und einfacher Sprache dokumentiert und somit helfen soll, Musterhaftigkeiten aufzuzeigen. So sollen immer mehr Homepages auch Texte in leichter und einfacher Sprache anbieten, um kommunikative Gleichberechtigung zu gewährleisten und keine Menschen mit sprachlichen Beeinträchtigungen mehr auszuschließen.
Angewandte Linguistinnen und Linguisten dokumentieren!
Beinahe allen vorgestellten Projekten liegt ein Dokumentiervorgang zu Grunde, haben uns Lisa Köhler und Katharina Wolf in ihrem Blogbeitrag berichtet. Ergebnisse eines solchen Vorgangs sind dann zum Beispiel Sprachkorpora, Wörterbücher, Datenbanken oder Terminologielisten. Diese stellen die Grundlage für weitere Forschungen dar, sodass genaues Arbeiten von größter Wichtigkeit ist.
Ein Bereich, der ständig im Wandel ist, und daher besonders lohnend für das Dokumentieren ist die Jugendsprache. Michelle Bytzek und Maximilian Schwegle haben uns hierzu das „Nottinghamer Korpus deutscher YouTube‐Sprache“ vorgestellt. Die Informationen für ihren Beitrag haben die beiden direkt vom Ersteller Louis Cotgrove im Interview erhalten. Jugendsprache ist dabei kein einfacher Ausschnitt der deutschen Sprache, aber auch keine eigene Fremdsprache. Es ist die Sprache einer eigenen Subkultur des Deutschen mit Sozio-, Regio- und Dialekten.
Sie sehen also, Angewandte Linguistik ist vielseitig und spannend! Wir hoffen, es war im #galwue22-Blogprojekt für jeden von Ihnen etwas dabei und Sie hatten so viel Spaß wie wir! Wenn Sie mögen, können Sie uns noch verraten, welches Thema Sie persönlich am faszinierendsten fanden. Wir freuen uns darauf, bei der GAL-WÜ 22 mit Ihnen darüber ins Gespräch zu kommen.
Sie können gar nicht genug von der Angewandten Linguistik bekommen? Wir auch nicht! Deshalb gibt es auch dieses Jahr wieder unsere Ausstellung – diesmal in Präsenz im Tagungsgebäude. Außerdem können Sie Ihre Pausen mit linguistischen Spaziergängen verbringen, wobei Sie sich die Füße vertreten und dabei noch etwas über linguistische Projekte erfahren! Auf jeder der drei angebotenen Routen finden Sie zudem Restaurants und Bäcker zum Einkehren. Wir freuen uns auf tolle Gespräche und eine rege Beteiligung! Bis dann!
Ihr #galwue22-Blogteam