Ein Projekt aus dem Tätigkeitsfeld Aufklären
Sprache kann verletzen. Sprache kann diffamieren. Sprache kann diskriminieren.
Leider erleben wir eine solche Verwendung von Sprache in unserem Alltag häufig – insbesondere in den sozialen Medien. Besonders zu kontroversen Themen sind Kommentarspalten unter Beiträgen jeglicher Art, sei es auf Instagram, Twitter oder Facebook, gefüllt mit solcher Hassrede. Einer Studie der Landesanstalt für Medien NRW zufolge haben rund drei Viertel der Befragten solche Hasskommentare im Internet gesehen, zehn Prozent geben sogar an, sehr häufig auf solche Kommentare gestoßen zu sein.

Häufig wird herabwürdigende oder verletzende Sprachverwendung unter dem Begriff Hate Speech gefasst. Dabei handelt es sich um sprachliche Äußerungen, in denen bestimmte Personen oder Personengruppen gezielt beleidigt werden, sei es wegen ihrer Herkunft, Religion, Sexualität oder anderen Zuschreibungen. Häufig überschreiten solche Äußerungen die Grenzen der freien Meinungsäußerung und fallen in Deutschland z. B. unter die Straftatbestände Volksverhetzung, Verleumdung, Beleidigung oder üble Nachrede gemäß § 130 und 185 ff. StGB. Hate Speech ist aber ein weltweites Problem – und zwar eines, über das noch viel zu wenig bekannt ist.
Das Projekt XPEROHS
Hate Speech ist ein sprachliches Phänomen – und da sind Linguistinnen und Linguisten zur Stelle! Sie befassen sich damit, um die linguistischen Wirkmechanismen von Hate Speech zu ermitteln und auf dieser Grundlage für das Problem zu sensibilisieren sowie über die Wirkung solcher Hasskommentare aufzuklären. Denn je mehr Menschen Hassrede als solche erkennen, desto eher kann dagegen vorgegangen werden und desto besser können Opfer geschützt werden.

Das Projekt “Towards Balance and Boundaries in Public Discourse: Expressing and Perceiving Online Hate Speech (XPEROHS)” stellte über drei Jahre ein Korpus zu Hate Speech aus deutschsprachigem und dänischem Facebook und Twitter zusammen, um die Funktion von Hasskommentaren zu identifizieren und analysieren. Hierbei soll zudem das generelle Ausmaß von Hate Speech auf Facebook und Twitter ermittelt sowie Wortverwendung und sprachliche Muster in den unterschiedlichen Sprachen identifiziert werden. Ebenso wird im Laufe des Projekts die Akzeptanz von Hate Speech in den beiden Sprachräumen ermittelt und verglichen.
Das Projekt XPEROHS gliedert sich in vier verschiedene Teilprojekte. Das erste Teilprojekt hat das Ziel, herauszufinden, welche deutschen und dänischen Ausdrücke in Hate Speech verwendet werden. Es konzentriert sich auf die Erforschung des Gebrauchs und der Wahrnehmung von ethnischen Beleidigungswörtern, entmenschlichenden Metaphern und Metonymien. Ergänzt wird es durch zwei Vergleichsprojekte, die das Kernrepertoire von Bedeutungen und Mustern für Hassrede ermitteln und erforschen, ob und wie sich verschiedene Hate–Speech-Niveaus festlegen lassen. Ein Projekt nimmt dabei die dänische und eines die deutsche Sprache in den Blick. Die Untersuchung beruht auf einer quantitativen Analyse des Korpus und kleineren Fallstudien zu verschiedenen Phänomenen wie beispielsweise Ironie.
Das vierte Teilprojekt untersucht die Beurteilung von Hate Speech in verschiedenen sozialen Gruppen. Es soll unter anderem ermittelt werden, wo die Sprecherinnen und Sprecher die Grenze zwischen akzeptabler Meinungsäußerung und Hate Speech ziehen und ob Hate Speech in gesprochener Sprache anders wahrgenommen wird als in geschriebener Sprache.
XPEROHS und der Nutzen für die Gesellschaft

Die Ziele der Projekte sind für unseren Alltag gleich in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen werden Ausmaß und Formen von Hate Speech in den sozialen Medien erfasst, wodurch die Aktualität und die Brisanz des Themas deutlich werden. Bislang fehlt es noch an einer umfassenden Bestandaufnahme von Hate Speech – das soll das breit angelegte XPEROHS-Korpus leisten. Außerdem können anhand der Daten typische Lexemverwendungen und sprachliche Muster von Hassrede in unterschiedlichen Sprachen erarbeitet werden. Diese Befunde könnten eine Grundlage bieten, um die Meldesysteme von Plattformen wie Twitter, Instagram sowie Facebook zu verbessern oder gar zu automatisieren.
Durch das XPEROHS-Korpus und die umfangreichen Analysen soll auf sprachwissenschaftlicher Grundlage die Definition von Hate Speech konkretisiert werden. Wo hört die freie Meinungsäußerung auf, wo fängt Hate Speech an? Inwiefern ist die Gesellschaft bereit, Formen verbaler Beleidigungen über Social Media zu tolerieren und wo endet diese Toleranz? Hieraus könnten auch Konsequenzen für die Strafbarkeit von Hate Speech abgeleitet werden.
Ein spannendes und – wie wir finden – sehr wichtiges angewandt-linguistisches Projekt! Wenn Sie mehr erfahren wollen, besuchen Sie die Projekthomepage des XPEROHS-Korpus oder folgen Sie dem Projekt auf Twitter:

Die Autorin und der Autor:
Agata Okula ist Erasmusstudentin der Angewandten Linguistik im zweiten Semester. Ursprünglich aus Polen interessiert sie sich für Fremdsprachen und ist verliebt in Würzburg und Deutschland generell!
Tom Rath studiert im sechsten Semester Gymnasiallehramt für die Fächer Deutsch, Geschichte und Politik und Gesellschaft. Er will das Thema Hate Speech aufgrund seiner Aktualität und des Alltagsbezugs für die Schülerinnen und Schüler auch im Schulalltag stärker thematisieren.